Buddhismus in Deutschland


Den christlichen Kirchen in Deutschland kehren mehr und mehr Mitglieder den Rücken. Längst nicht alle davon sind Atheisten oder Agnostiker. Einige leben künftig ohne verbindlich definierte Religionszugehörigkeit ihre eigene Vorstellung von Glauben aus. Andere wenden sich einer neuen Religion zu. Eine immer größere Beliebtheit erfährt hierbei der Buddhismus.

Unter den Weltreligionen gilt der Buddhismus als friedlichste Religionsform. Aktuelle Skandale oder historische Greueltaten hat der Buddhismus nicht zu verzeichnen. Ihr prominentester Vertreter, der Dalai Lama, ist den meisten Deutschen ein Begriff und genießt großes Ansehen. Exotische Rituale in bunten und geschmückten Tempelanlagen wecken die Neugier, mehr zu erfahren.

Der Buddhismus zieht in den deutschen Alltag ein

In Deutschland gibt es an vielen Orten buddhistische Religionszentren, Tempel und Meditationsgruppen. Neben hier lebenden asiatischen Buddhisten bekennen sich inzwischen erstaunlich viele Deutsche zu dieser Religion, die so ganz anders ist als das Christentum. Sie kennt keinen Gott und statt bloßem Glauben geht es um Erfahrungen. Buddhismus bedeutet außerdem Eigenverantwortlichkeit.

Es gibt Menschen, die sich dem buddhistischen Gedankengut nahe fühlen und ihren Alltag danach ausrichten. Sie können sogar weiterhin Angehörige einer christlichen Kirche sein. Ihnen gilt der Buddhismus als ergänzende Religion. Einzelne Elemente wie Meditationen, die betonte Friedfertigkeit und Selbstverantwortung können durchaus in ein christliches Glaubensverständnis integriert werden. Ein weniger dogmatischer Umgang in Religionsfragen ist lebbar. Rückendeckung erhalten diese Anhänger des Buddhismus sogar vom Dalai Lama, der selbst sagte, dass ein offizieller Übertritt in den Buddhismus nicht zwingend erfolgen müsse. Eventueller Hintergedanke könnte dabei gewesen sein, dass nicht übereilt eine Religion ausprobierend gegen die andere ausgetauscht werden soll.

Buddhist im eigentlichen Sinne ist, wer das sogenannte Ritual der "Buddhistischen Zuflucht" absolviert hat und reguläres Mitglied einer buddhistischen Vereinigung geworden ist. In der "Buddhistischen Zuflucht" erfolgt in Gegenwart eines autorisierten Lehrers ein formales Bekenntnis des Respekts gegenüber Buddha, der buddhistischen Lehre und der Glaubensgemeinschaft.

Da es folglich neben den offiziell erfassten Buddhisten noch eine unbekannte, vermutlich gar nicht so kleine Gruppe von Gesinnungsbuddhisten gibt, lässt sich eine feste Zahl der in Deutschland lebenden Buddhisten nicht nennen. Die Schätzungen hierzu belaufen sich auf mehrere Hunderttausend in beiden Gruppen. Die Zahl der deutschen Buddhisten, die aktiv in engem Kontakt mit buddhistischen Einrichtungen stehen, wird auf 80.000 bis 100.000 Menschen geschätzt. Hinzu kommt die Anzahl der in Deutschland lebenden Buddhisten asiatischer Herkunft, vor allem aus Vietnam, Thailand, China, Süd-Korea, Japan und Sri Lanka. Die Zahl der in Deutschland lebenden asiatischen Buddhisten kann recht genau bestimmt werden mit circa 250.000 Angehörigen.

Was macht Buddhismus aus?

Der Buddhismus mit seiner zweieinhalbtausendjährigen Überlieferung unterscheidet nicht nach sozialer Herkunft oder Geschlecht. Er wendet sich an alle suchenden Menschen jeglicher Nationalität. Er hat zum Ziel, aus Unvollkommenheit und Leid heraus zu Glück und Harmonie zu führen. Die "Vier edlen Wahrheiten" formulieren dafür die Grundaussagen:

1. Wahrheit vom Leiden: Im Kreislauf des Daseins ist das Leben letztendlich leidvoll. Dies soll durchschaut werden. (Dukkha Sacca)

2. Wahrheit von der Ursache des Leidens: Diese Ursachen sind Gier, Hass, Verblendung. Sie müssen überwunden werden. (Samudaya Sacca)

3. Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: Sind die Ursachen erloschen, ist auch das Leid erloschen. Dies soll verwirklicht werden. (Nirodha Sacca)

4. Wahrheit von dem Weg zur Aufhebung des Leidens: Ein einziger Weg, der "Edle achtfache Pfad", führt zum Erlöschen des Leidens. Er muss gegangen werden. (Magga Sacca)

Diese vier Aussagen drücken die Kerngedanken der Lehre vom Buddhismus aus und sind auch als gemeinsamer Nenner der verschiedenen buddhistischen Ausrichtungen anzusehen.

Aus den Aussagen der "Vier edlen Wahrheiten" resultieren ein ethisches Verhalten, Meditationen und das Erlangen einer tiefen Einsicht. Gesprächsbereitschaft, Toleranz und Gewaltlosigkeit bilden weitere Pfeiler des Buddhismus. Bei all dem soll sich der Mensch über seine Verantwortung für sich selbst klar werden.

Der Buddhismus erhebt keinen Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit und ist frei von Dogmen.

Genau diese Dogmenfreiheit scheint mit zur steigenden Verbreitung des Buddhismus in Deutschland beizutragen. Im Gegensatz zum Christentum gibt es im Buddhismus keine Erbsünde oder Hölle, allerdings auch keinen Gott. Dennoch schliesst der Buddhismus den Gedanken an eine göttliche Existenz nicht aus. Die Lehre des Buddhismus lässt sich gut nachvollziehen und im alltäglichen Leben beherzigen. In vielen deutschen Städten gibt es buddhistische Zentren, sodass ein Kontakt zu Gleichgesinnten nicht schwer ist. Am stärksten vertreten sind in Deutschland der Theravada- und der Zen-Buddhismus.

Wer ist besonders empfänglich für den Buddhismus?

Es sind keineswegs nur Bildungsbürger, die in Deutschland zum Buddhismus finden. Viele Deutsche kommen zum Beispiel auf Reisen im ostasiatischen Raum näher mit dem Buddhismus in Berührung, wodurch sie häufig ein intensives Interesse an dieser Religion entwickeln. Auch Literatur und Gespräche eröffnen neue Horizonte. Entscheidend sind vielmehr Offenheit für neue Fragen und neues Denken und überhaupt Unkonventionalität.

So alt der Buddhismus ist, sind seine Lehren auch - oder sogar gerade - heute geeignete Wegweiser für die vielfältigen aktuellen Probleme. Es kann daher erwartet werden, dass die Zahl deutscher Buddhisten weiter zunehmen wird.